Können Sie das auch nicht mehr hören? Sobald Politiker die Wahlen verlieren, verkünden sie vollmundig: „Wir müssen den Menschen besser zuhören. Wir müssen mehr auf ihre Sorgen achten.“ Diese Verlegenheitsrhetorik beschädigt den Akt des „Zuhörens“ massiv.

Wir erwarten von Politikern, dass sie ihre Werte formulieren und Visionen entwickeln. Wir erwarten, dass sie mit diesen Visionen bestmögliche Wirkungen erzielen. Wirkungen, die gesellschaftlich notwendig und wichtig sind und sich über die Partikularinteressen von Einzelgruppen hinwegsetzen. Politik ist im besten Falle auch eine „big picture-Vision“, nicht unbedingt das Bedürfnis „des kleinen Mannes“. Daher kann politisches Handeln nicht bloß aufs Zuhören reduziert werden.

In der zwischenmenschlichen Kommunikation spielt Zuhören eine bedeutende Rolle. Sabine Standenat, klinische Psychologin aus Wien, meint: „Richtiges Zuhören heißt nicht, Gesagtes irgendwie aufzunehmen, sondern ein Gespür für Zwischentöne oder Unausgesprochenes zu entwickeln.“ Zuhören als Impuls, um Nähe herzustellen. Dennoch ist es essentiell beim Thema Zuhören zu differenzieren und sich gerade im politischen Diskurs nicht davon einseitig einschmeicheln zu lassen. Denn oft wird die von Politikern ausgesprochene Absicht mehr „zuzuhören“ dazu benutzt, um sich ein „volksnahes“ Image zu verpassen.

Der Kampf für Demokratie war auch ein Kampf gegen eine Diktatur der Einseitigkeit. Es bedeutete Rede und Gegenrede auf Augenhöhe. In der digitalen Komplexität unserer heutigen Welt müssen Politiker vielen Stimmen zuhören – aber sie müssen auch den Mut haben zu entscheiden auf welche Stimmen sich eben „gar nicht hören“: Nämlich dann, wenn es ihren Werten und Visionen zuwider läuft. Politik ist heute eine Managementleistung in der öffentlichen Verwaltung. In der Komplexität unserer digitalen Welt kann es nicht mehr nur einen Kanal geben, kann politisches Handeln nicht mehr auf das „Zuhören“ reduziert werden bzw. den Menschen dieses scheinbare Versprechen gegeben werden – im Sinne „ ich öffne mein Ohr, ich höre euch zu, dann weiß ich, was euch bedrückt und dann löse ich eure Probleme.“ Wer sich auf diese vereinfachte rhetorische Formel begibt, tappt unweigerlich in eine Falle.